Elisabeth Kopp
Der Zivilschutz – auch das noch!
Elisabeth Kopp
Worum geht es?
Das Katastrophenjahr 1986, in das sowohl die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl als auch der Grossbrand in Schweizerhalle fielen, führte dem Schweizer Zivilschutz die breite Vielfalt möglicher Gefährdungen vor Augen. Als Bundesrätin musste sich Elisabeth Kopp dafür einsetzen, dass der schweizerischen Zivilbevölkerung der bestmögliche Schutz gegen menschen-, natur- und technikverursachte Krisen gewährt werden konnte. Welche Lehren konnten die Zivilschutzbeauftragten aus «Tschernobâle» ziehen und in die Weiterentwicklung des Schweizer Bevölkerungsschutzes einfliessen lassen?
Quellen und Meinungen
Elisabeth Kopp über den Zivilschutz – vor Schweizerhalle
Als die neue Bundesrätin Elisabeth Kopp 1985 gefragt wurde, wo die Prioritäten beim Zivilschutz lägen, antwortete sie wie folgt:
Ganz sicher bei der Information. Der Informationsmangel ist nach wie vor gross. Dort kann eine Gemeinde mit einem initiativen Ortschef viel unternehmen. Beispielsweise, wenn ein Zivilschutz-Kurs beendet ist, kann man das mit einem Fest verbinden, indem man einen Tag der offenen Tür veranstaltet. Am Abend kocht dann der Zivilschutz mit der Gulaschkanone. Die Bevölkerung sollte also in das Kurswesen einbezogen werden.
So spotteten die Kritiker:innen über Kopps Idee
[…] Bevölkerungsnähe [ist] nun auch die Praxis in den Zivilschutzübungen: Schulklassen werden für einen Tag vom Unterricht befreit und dürfen in Schutzräumen übernachten. Die lokale Presse ist mit dabei. Schülerberichte lassen erkennen, dass die Zivilschutz-Übung für sie ein ‹Plausch› war, ein unterirdisches Abenteuer sozusagen. Die (freiwillig) teilnehmenden Schulklassen üben spielerisch den Ernstfall. Am Abend geht es lustig zu und her mit Gasmasken-Anprobieren, Quartettspielen, Schokolade und anderen Süssigkeiten, und am Morgen gibt’s ein gutes Frühstück.
Elisabeth Kopp über den Zivilschutz – nach Schweizerhalle
Elisabeth Kopp plante bereits im Januar 1987, eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Aufgaben des Zivilschutzes einzusetzen. In einem Referat hielt sie fest,
dass die Aufgabe des Zivilschutzes nicht nur im sicherheitspolitischen Bereich liege, sondern dass der Zivilschutz auch bei zivilen Katastrophen das unversehrte Überleben eines möglichst grossen Teils der Bevölkerung zu sichern habe.
Elisabeth Kopps Auftrag an die Arbeitsgruppe, 1988
Die Bundesrätin formulierte im Auftrag die folgenden Erwartungen an den Bericht:
[…] möchte ich in einem Bericht darüber Auskunft erhalten, ob und wie die Möglichkeiten für den Einsatz des Zivilschutzes zur Nothilfe besser genützt werden können. Dabei müsste im Bericht unterschieden werden, was in welcher Zeit ohne Änderungen von Gesetzen und Verordnungen möglich erscheint bzw. was Änderungen der rechtlichen Grundlagen voraussetzt. Es liegt mir sehr daran, dass der Bericht zu konkreten Vorschlägen mit echten Varianten gelangt.
Der Zivilschutz nach Schweizerhalle
Im Editorial der Zeitschrift «Zivilschutz – Protection civile – Protezione civile» schrieb die Redaktorin Ursula Speich-Hochstrasser:
Ein Blick zurück auf das Jahr 1986, liebe Leserinnen, liebe Leser, stimmt uns nachdenklich. Die Ereignisse, mit denen wir uns auseinanderzusetzen gezwungen sahen, waren alles andere als alltäglich und haben uns demnach allesamt recht gefordert. Sie waren – und sind – Zeichen der ‹neuen Zeit›, in der wir leben. Dies sei sachlich und trocken festgestellt.
Diese Ereignisse – ob nun Tschernobyl oder der Chemiebrand von Basel – haben Fragen aller Art, darunter berechtigterweise auch diejenige nach dem Zivilschutz, aufgeworfen. Nicht auf zivilschutztechnische Einzelheiten eingehen möchte ich an dieser Stelle, hingegen jedoch darauf hinweisen, dass ‹Zivilschutz› in diesem Zusammenhang sehr eng mit dem Begriff ‹Sicherheit› verbunden ist. Wenn wir angesichts einer Katastrophe nach Zivilschutz rufen, dann fordern wir Sicherheit und versuchen dadurch vielleicht der drohenden Gefahr, dem unliebsamen Risiko, ja gar der damit verbundenen Angst zu entgehen. Eine Flucht? Eine Selbsttäuschung?
Titelseite der Ausgabe Nr. 3 / März 1987.
Wo man den Zivilschutz «wirklich braucht»
So äusserte sich der Präsident des Zivilschutzverbandes BL, Nationalrat Felix Auer, zum Zivilschutz:
Grosse Katastrophen haben oft eine kriegsähnliche Wirkung. Sie verursachen auch Verunsicherung unter der Bevölkerung und erwecken Angst – man sucht Schutz und Hilfe. Der Zivilschutz sollte – dort wo Polizei, Feuerwehr und andere Pikettdienste nicht ausreichen, man ihn also wirklich braucht – bereitstehen mit genügend ausgebildeten Leuten, benützbaren Bauten und überlegenen Führungsequipen, die ihr Handwerk verstehen. Es ist unumgänglich, dass sowohl die einzelnen Haushalte – also der private Sektor –, aber auch die offiziellen Stellen auf allen Ebenen von Bund, Kantonen und Gemeinden rechtzeitig durchdachte und fundierte Vorbereitungen für solche Krisenfälle treffen.
Eine Einordnung
Für Bruno Herrsche [Chef des kantonalen Amts für Zivilschutz Zürich] hatten die beiden Ereignisse [Tschernobyl und Schweizerhalle] unterschiedliche Auswirkungen: ‹Negativ war die Tatsache, dass verschiedene Seiten dem Zivilschutz Aufgaben zuweisen wollten, die er nicht übernehmen kann und muss, und ihm daraus zu Unrecht Untätigkeit und Unfähigkeit anlasteten – ein ernst zu nehmender Image-Verlust. Positiv ist zu werten, dass man sich der Notwendigkeit und Nützlichkeit der Zivilschutzmassnahmen in unserem Lande vermehrt bewusst wurde und sich nun ernsthaft Gedanken macht, wie das grosse und kostenintensive Potenzial an Personal, Material, Können und Wissen bei Katastrophen in Friedenszeiten (…) optimal und vielleicht auch etwas rascher eingesetzt werden kann.›
Links zu Internetressourcen
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