Jakob Annasohn
Im Sicherheitsdilemma gefangen
Jakob Annasohn
Worum geht es?
Die beiden Supermächte USA und Sowjetunion massen sich während des Kalten Kriegs in einem nuklearen Wettrüsten. Mitten im geografischen Frontverlauf zwischen West und Ost musste sich die Schweiz ebenfalls mit dem Risiko eines zerstörerischen Atomkriegs auseinandersetzen. Wäre es für einen Kleinstaat vertretbar gewesen, sich diesem Wettrüsten anzuschliessen, um einem sowjetrussischen Angriff mit der Drohung eines atomaren Gegenschlags begegnen zu können? Wäre der Erwerb von eigenen Kernwaffen als militärisches oder «lediglich» als politisches Mittel zu bewerten gewesen?
Quellen und Meinungen
Der Grundsatzentscheid: Bundesratsbeschluss vom 4. Juli 1958
In seiner Sitzung vom 4. Juli 1958 diskutierte der Bundesrat zum Thema «Ausrüstung der Armee mit Atomwaffen». Nachfolgend einige Ausschnitte aus dem Protokoll mit den Voten einzelner Bundesräte:
Auszüge aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 4. Juli 1958.
Die Konkretisierung; fünf Jahre später
In einer Aussprache von Fachleuten mit der Militärdelegation des Bundesrates vom 28. November 1963 wurde das Votum des Generalstabschefs Annasohn wie folgt protokolliert:
Beim angesprochenen Bundespräsidenten handelte es sich um Willy Spühler (SP), der einer nuklearen Aufrüstung der Schweiz gegenüber kritisch eingestellt war. Laut Protokoll hatte er sich zuvor wie folgt geäussert:
Eine Einschätzung aus heutiger Sicht
In welchem Masse erregten nun die schweizerischen nuklearen Ambitionen die Besorgnis der westlichen Führungsmächte, die eine konzertierte Politik der Proliferationsbekämpfung verfolgten? Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage sei die bundesrätliche Erklärung vom 11. Juli 1958, die wie kaum eine andere Verlautbarung während des Kalten Krieges für Schlagzeilen sorgte. Darin erklärte die Regierung, der Schweizer Armee müssten ‹die wirksamsten Waffen›, einschliesslich der Atomwaffen, zur Verfügung gestellt werden. Der Bundesrat verfolgte damit vornehmlich die innenpolitische Absicht, die in der Öffentlichkeit überbordenden Spekulationen und Kontroversen über die Opportunität einer Nuklearbewaffnung zu beenden. Statt dessen löste dieses erstmalige Bekenntnis eines Neutralen und eines Kleinstaates zu seinen nuklearen Ambitionen einen derartigen Wirbel im In- und Ausland aus, dass sich der Bundesrat zu einem Rückzieher gezwungen sah. Er habe, so liess er am 9. August verlauten, lediglich einen Grundsatz aufgestellt, der nicht mit einem ‹endgültigen Beschluss, [...] solche Waffen anzukaufen› verwechselt werden dürfe. Die Landesregierung wollte mit dieser gewundenen ‹Präzisierung› vor allem den neutralitätspolitischen Schaden beschränken, den ihre Erklärung verursacht hatte. Denn die ausländischen Reaktionen waren sich in dem einen Punkte einig, dass die Schweiz solche Waffen kaum im Alleingang würde herstellen und allenfalls im Westen dereinst erwerben können. Den grössten Eindruck dürfte in Bern jedoch die offen feindselige Haltung Moskaus gemacht haben, wo der stellvertretende Ministerpräsident Anastas Mikojan dem Schweizer Botschafter drohte, falls die Schweiz tatsächlich Nuklearwaffen anschaffe, werde die Sowjetunion bei Kriegsausbruch umgehend ‹vier grosse Atombomben› über der Schweiz abwerfen, da sie jegliches Vertrauen in die schweizerische Neutralität verloren habe.
Der Anlass: Eine diplomatische Einflussnahme der Sowjetunion
Die Überlegungen des Bundesrates wurden durch eine diplomatische Demarche der Sowjetunion im April 1958 zusätzlich befördert, denn diese verlangte eine Positionierung der Schweiz bezüglich der Einstellung von Atombombenversuchen:
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